Vor geraumer Weile haben wir bereits einmal festgehalten: der Zustand von Glückseligkeit, hervorgerufen durch ein einfach gutes Spiel, ist ein äußerst fragiles Konstrukt, das auf einer wohlbalancierten Mischung aus Frust und Flow beruht, die beide – selbst in kleinsten Dosen fehldosiert – jeder für sich, das gesamte Kartenhaus filigranen Spielbalancings zum Einsturz bringen können. Klar: Ist ein Game zu frustrierend, fliegt der Controller an die Wand – und statt Wohlgefühls gibt es nur hässliche Löcher. Das belastet nicht nur Wand und Brieftasche, sondern auch das eigene Ego.
Ist ein Spiel hingegen zu leicht, überwiegt also der Zustand des Flows in solch permanenter Form, dass man praktisch wie von selbst durch Level, Gegnerhorden und über Abgründe gleitet, wird der Zustand des Sich-Wohlfühlens, des Aufgehens in einem Spiel eher durch ein Gefühl dezenten Sich-Verarscht-Fühlens ersetzt. Auch hier ist klar: Ist etwas zu einfach, bleibt der Belohnungseffekt des Gehirns nach dem Meistern einer Prüfung aus, die körpereigenen Drogen feiern ihre Party ohne die Synapsen und die Spieledisc verendet als Untersetzer auf der nächsten Swingerparty Geburtstagsfete des immer etwas zuuu sehr angetüterten Großonkels väterlicherseits.
So weit, so gut. Nun sind aber Frust und Flow wohl kaum die einzigen Elemente, nach denen es dem gemeinen Spieler von Welt dürstet. Klar, der Großstadtproll von nebenan gibt sich mit einer Runde Fifa oder ein paar gepflegten Drifts über die virtuelle Rennstrecke nach Wahl vielleicht zufrieden und ist froh, wenn er dem Landei aus dem Fichtelgebirge in einem Shooter seines Vertrauens mal gehörig die Nüsse knacken kann. Doch nicht wenige Spieler wollen dann eben doch mehr, geben sich mit dem reinen Prinzip des Gebens und Nehmens in Form von ausgeklügelter Dosierung von Schwierigkeitsgrad und Belohnungsmomenten nicht zufrieden.
Eben jenem Spielertyp gelüstet es ebenso nach einer raffinierten Story. Nach großen Momenten, gut gezeichneten Charakterstudien, Sinn für Details, Hintergrundgeschichte und – ganz wichtig: nach Emotionen! Den ganz großen Gefühlen. Einmal die Klaviatur des Herzens rauf und wieder runter, bitte!
Aber warum eigentlich? Warum ist eben jenen Spielern – uns – das seit den 70ern grundlegend unveränderte, oben beschriebene Gameplay-Grundprinzip nicht genug? Warum muss es immer eine Scheibe mehr sein?
Vor allem: müsste es das eigentlich wirklich? Bedarf ein jedes Spiel eigentlich einer ausführlichen Hintergrundstory, ausgeklügelten Quests, abgefahrener Charaktere oder bis zur Unkenntlichkeit ineinander verwobene Handlungsstränge? Eigentlich nicht. Ein Spiel wie Katamari Damacy würde ohne weiteres ebenso funktionieren, wäre die krude Geschichte um den König des Weltalls nicht existent. Aber wäre es dann immer noch so ansprechend, so knuffig, so herzallerliebst? Ein Spiel wie Limbo funktioniert tatsächlich sogar praktisch ohne jegliche Story und schafft es dennoch, eine düstere, bedrohliche Atmosphäre in einem geradezu poetisch anmutenden Setting zu inszenieren und uns in seinen Bann zu ziehen. Ist nicht die angeflanschte Story von Outland eher Makulatur, denn wirklich entscheidend für das Vorankommen oder die Motivation, sich noch einem Kugelhagel mehr auszusetzen? Beweist ein Killzone 3 nicht zur Genüge, dass eine Story oftmals nicht viel mehr als eine fadenscheinige Legitimation permanenter Setting-Sprünge ist, die mindestens so stark mit den Szenerien der jeweils vorangegangenen Level brechen, wie Onkel Udo nach einem Eimer Sangria? Und ist nicht Half Life 2 ein ausgezeichnetes Paradebeispiel dafür, dass auch eine gut gemeinte Story nur unzureichend über eher unspektakuläres Gameplay hinwegtäuschen kann? (Also ich finde schon, mir egal was Ihr meint ;-)).
All diese Spiele – und noch so viele mehr – kämen ebenso gut ohne jede Story aus und würden dennoch ohne weiteres funktionieren. Trotzdem würden wir sie vermutlich nicht einmal mit halb soviel Inbrunst spielen, wenn sie auf eine atmosphärische Inszenierung einer (mal mehr, mal weniger) glaubwürdigen Geschichte verzichteten.
Und warum? Weil wir berührt werden wollen. Weil wir Stimulation abseits ausgetretener, altbekannter Gameplay-Pfade wollen. Weil wir ansonsten noch viel schneller als sowieso schon durchschauen würden, dass Activision uns seit mindestens 5 Jahren immer und immer wieder das gleiche Call of Duty verkauft, dass die spielmechanischen Änderungen zwischen Splinter Cell 1 und 4 wohl kaum eine weitere Vollpreisanschaffung rechtfertigen, dass Mafia 2 im Grunde auch bloß ein weiteres Grand Theft Auto ist. Ein Grand Theft Auto mit dem kuriosesten KI-Bug samt noch kurioserer Lösung, immerhin, aber nichts desto trotz bloß ein weiteres GTA.
Was wir brauchen, ist das Gefühl, in eine gute Geschichte eintauchen, darin selbst eine Rolle spielen zu können. Und wir wollen die gesamte Bandbreite des Gefühlsspektrums durchlaufen, wenn wir uns schon auf ein – vergleichsweise deutlich komplexeres – Spiel einlassen (im Vergleich zu Titeln, die von vornherein weitestgehend auf Storylines verzichten).
Die emotionale Bindung an den gehörnten Jungen und seine stets händchenhaltende Yorda wäre bei weitem nicht so groß, gäbe es nicht zumindest andeutungsweise eine Mystik hinter den vordergründigen Handlungen. Im Gegenteil, die beiden beweisen zudem noch, dass es oftmals die kleinen Gesten sein können, die eine Geschichte überhaupt erst zu etwas besonderem machen. Mimik, Gestik, sprachlicher Ausdruck spielen eine weitere entscheidende Rolle, um uns zu berühren. Mir läuft noch heute ein wohliger Schauer den Rücken hinunter, wenn ich an die Interaktion der beiden Protagonisten aus Enslaved miteinander denke. Soviel Gefühl, soviel Ausdruck zwischen den Zeilen war selten in einem Spiel.
Ein anderes Mal sind es dann wieder die eher flapsigen One-Liner und überzogenen Inszenierungen eines Prince of Persia (der Cel-Shading-Teil), die ein eher seichtes Gameplay mit zu hoch dosiertem Flow-Anteil zu einem dennoch emotional rundum ansprechenden Spiel machen. Und selbst in den unverhofftesten Momenten, da, wo man es am allerwenigsten erwartet, schaffen Spiele es noch, innerhalb von Erzählungen, die im Grunde auf einen halben Bierdeckel passen, noch besondere Gefühle in uns zu wecken und uns zutiefst zu berühren. Man nehme etwa die bereits neulich bemühte Szene aus des Kriegsgetriebes 2. Teils. Verdammt, ich muss schon wieder heulen…. Kein Wunder, dass Insomniacs Lead Writer Jon Paquette dafür plädiert, Stories so einfach wie möglich zu halten.
Worauf will ich eigentlich hinaus? Ach ja, genau: Spiele benötigen keinen Schnick und keinen Schnack, Spiele können einfach nur Spiele sein, sich – auf das absolut Wesentliche reduziert – zwischen den Polen Frust und Flow pendelnd als absolut motivierende Herausforderung in das Herz eines Gamers spielen und müssen dabei nicht minder schlecht sein als solche Titel, die auf epische Erzählungen und große Gefühle wert legen. Denn letzteres ist nicht immer passend und es gibt mehr als genügend Beispiele, in denen die Story oder eher cheesy wirkende Gefühlsduseleien zum motivatorischen Show-Stopper verkommen können.
Doch nur geschickt getriggerte Emotionen, sei es über gut erzählte Storylines oder sonstige emotional ansprechenden Spielelemente (und Ihr dürft mich gerne Captain Obvious schimpfen), schaffen es, das letzte Quäntchen Glückseligkeit aus einem Spielerlebnis herauspressen und dieses zu etwas ganz Besonderem machen. Denn erst, wenn ein Erlebnis auch mit einem bestimmten Gefühl verknüpft ist – egal ob positiv oder negativ – wird es im emotionalen Zentrum unseres Gehirns einen besonders bequemen und langfristig memorablen Platz einnehmen.
Und was berührt Euch so?
Jetzt fällt mir gar nichts ein, weil ich eigentlich meinen Kommentar aus deinem anderen Artikel kopieren könnte.
Vor allem beim letzten Absatz schallt wieder der Name Deadly Premonition durch meinen Kopf. Kaum ein Spiel der letzten Jahre hat so einen Eindruck bei mir hinterlassen wie dieses.
Enslaved ist auch ein ganz besonderer Titel. So eine emotionale und glaubwürdige Darstellung der Spielfiguren habe ich bislang in keinem anderen Game gesehen (abgesehen von Uncharted 2 vielleicht, aber das schlägt einen ganz anderen Ton an). Allein kleine Gesten, Gesichtsausdrücke oder einzelne Worte haben so viel Gewicht, unglaublich gut.
Auch schön, dass du das Prince of Persia Reboot nennst. Abgesehen vom Kampfsystem, fand ich das einfach nur großartig. Die Tatsache, dass es so leicht ist und einfach flowt hat mir super gefallen. Design und Chemie zwischen den beiden Hauptfiguren waren ebenfalls klasse. View all comments by pixelpinata
Ich hatte die Idee, eine Reihe aus 3 Beiträgen zu verfassen, die inhaltlich nicht immer ganz trennscharf sind, weshalb manche Kommentare ohne weiteres doppelt verwendet werden können… 😉
Hach ja, Der Cel-Shading-Prinz. Ich habe ihn auch geliebt. Also… ähm… rein spielerisch… *hust* View all comments by Christian
Kommt denn noch einer oder wertest du diesen schon als Nummer 3?
Nolan North Mancrush? 😀 View all comments by pixelpinata
Wenn das hier Nummer 3 sein soll, was wäre denn dann Nummer eins? Jmm, obwohl, ich könnte den 3 Jahre alten Glückseligkeits-Beitrag ja auch einfach mitzählen… 😉
Nee nee, da ist noch ein weiterer geplant. Aber wie das immer so ist: immer, wenn ich was plane oder verspreche, wird am Ende nichts draus. Mal schauen…
Den Prinzen hab ich auf Deutsch gespielt, da kann Nolan (ausnahmesweise) mal nichts für. View all comments by Christian
*arme hoch reiß und schreiend im Kreis renn* Wieso schreibst du soviel? Du regst mich momentan wirklich zum denken an. Ich mache jetzt keinen 1zu1 Kopie meines alten Beitrags. Weil ich durchaus denke das dies hier ein anderes Thema ist, was durchaus interessant sein könnte.
Und bevor alle meckern werden, dass ich Unmengen an Rechtschreibfehlern habe, möchte ich anmerken das ich gerade in einen Schreibwahn verfallen bin. Werde mir aber größte mögliche mühe geben euch nicht mit massigen Rechtschreibfehlern zu bombardieren.
So jetzt zum Thema. Was mich berührt? Vieles. Sehr viel sogar. Es kann zu den Spielen gehen, die mir einen kleinen Brocken zuwerfen und mich des weiteren im dunklen lassen. Also solche Spiele die mir den Weg zeigen und den Rest meiner Fantasie überlassen. Dafür muss dann aber in diesen Spielen die Atmosphäre stimmen. Also spiele wie LIMBO.
Mich bewegt aber auch die Tatsache das ich eine Hauptstory vorgesetzt bekomme und den Charakter kennen lernen darf. Dabei ist es dann prinzipiell egal wie viel ich von der Story vorgesetzt bekomme. Ich werde auch mitgerißen wenn die Story mir alles vorgibt. Natürlich macht es mir mehr spaß, wenn ich eine ausgewogene Situation auffinde.
ich sehe über viele Fehler in Spielen hinweg, unpassende Synchro oder Zwischensequenzen wo ein Chatakter einfach Still ist, der Ton aber weiter geht. Hier mischt meine eigene Vorstellungskraft mit und ermöglicht es mir Dinge zu sehen und zu fühlen. Selbst wenn die Situation nicht stimmt.
Probleme habe ich aber mit Spielen die mir gar nichts geben oder nur sehr fehlerhafte Informationen. ich bin kein Fan von CoD, weil mir das tierisch auf die nerven geht das es immer nur das eine ist. Ich spiele Battlefield 3 nur, weil ich den Multiplayer mag. Denn auch ich habe Situation wo es mir einfach Spaß macht mich mit anderen zu Duellieren und zu zeigen wie schlecht ich doch bin =)
Klar fixiert bin ich aber eher den Singelplayer Spieler, der es liebt eine spannende, prickelnde Atmosphäre vorgesetzt zu bekommen.
Denn wenn das Setting zur Story (die halt komplex oder nur ein Bruchstück sein kann) stimmt, dann bin ich mitten im Spiel. Dann lebe ich es und erfahre Gefühle wie der Charakter. (man bin ich froh das ich Virtuell und Realität unterscheiden kann. man könnte ja fast meinen ich bin Krank im Kopp) View all comments by Wolfsterror