Neues von der Sound-Legende

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Gut zehn Jahre ist es her, dass sich ‘Soundmagier’ (wer hat ihm eigentlich diesen schlimmen Titel verpasst) Chris Hülsbeck mit einer eigenen CD der Öffentlichkeit präsentierte. Zehn Jahre, in denen nicht sonderlich viel von dem sowieso eher medienscheuen Komponisten und Arrangeur zu hören war. Statt, wie damals in den frühen Neunzigern, seine bekanntesten und beliebtesten Stücke auf Albumlänge neu einzuspielen und abzumischen, schien er sich lieber viel voll und ganz seinen spielerischen Projekten zu widmen. Oder an diversen, leider allerhöchstens drittklassigen, Danceprojekten zu schrauben. Nicht zu vergessen seine vereinzelten Beiträge zu den beiden bislang erschienenen Teile der Merregnon Soundtrack-Trilogie. Nun aber, pünktlich zur Games Convention, erscheint sein neues Opus. Darauf sollen weder bekannte Spiele-Sounds, noch irgendwelches Eurobeat-Geschrömmel zu finden sein, sondern durchweg neue, eigenständige Kompositionen der elektronischen Art. Wie immer vertrieben über sein eigenes Label synSONIQ, dass sich im Laufe der letzten Jahre zu einer wahren Schatztruhe für Gamer und Musikliebhaber entwickelt hat, die auf der Suche nach dem Soundtrack ihrer Lieblingsgames sind.

Wer nach den letzten Aufführungen seiner Musik bei den bisherigen Eröffnungskonzerten der GC, oder wie zuletzt beim Merregnon-Projekt, auf Hülsbecks neuem Album satte Streicher-Einlagen und großes Orchester-Brimborium erwartet, wird beim Hören des schlicht Number Nine betitelten Werkes wohl ziemlich enttäuscht werden. Geboten werden ausschließlich Elektroklänge. Was aber nicht schlecht sein muss. Schließlich hat das bei seinen alten Werken auch ohne weiteres funktioniert. Einziges Manko: Nutzt man die Gelegenheit, sich bei 4Players mit einem kompletten Song als Hörprobe zu berieseln, wird relativ schnell klar, dass der Sound leider auch immer noch so klingt wie etwa zu Shades– oder Rainbows-Zeiten. Altbacken synthie-like halt. Fast ein bisschen so, als würde er immer noch auf den gleichen alten Geräten herumklimpern wie damals. Dabei kann elektronische Musik heute doch soviel moderner klingen. Selbst William Orbits mittlerweile auch mächtig in die Jahre gekommenes Pieces in an modern Style klingt dagegen fast frisch. Hülsbeck indes scheint diesen Sound umso mehr zu mögen, konnte er es doch nichtmal lassen, selbst im eigentlich rein orchestralen Merregnon 2-Sountrack einige wirklich deplaziert wirkende Konserven-Sounds einzubauen. Nichts desto trotz ist Noise of Lights einer der schönsten Titel des Albums.

Und trotzdem alldem höre ich mir seine Musik auch heute noch immer wieder gerne an. Gerade die alten Werke. Trotz all der quietschenden Synthie-Klänge from Hell schaffen es die zeitlosen Melodien etwa des Apidya-Soundtracks nach wie vor, ein angenehmes Gänsehautgefühl zu produzieren. Großartige Melodien wie das Turrican-Medley oder der Tower of Babel (beide Shades), das Apidya Theme oder War at Meadow’s Edge (beide Apidya Soundtrack), wie dieser eine, wahnsinnig ergreifende Piano-Part mitten im ansonsten treibenden Atlantis oder das orchestrale-geniale und mindestens Wagner-ebenbürtigen Romance von To be on Top, das ‘Hörspiel’ des Turrican Soundtracks oder Songs wie das Jim Power Theme oder das Giana Sisters-Medley auf Rainbows – um nur einige wenige zu nennen. Leider schafft es Chris Hülsbeck auch auf diesen Klassikern von Tonträgern immer wieder, seine Hörer völlig aus dem endgültigen Versinken in seiner Musik herauszureißen. Womit? Mit den größtenteils einfach nur nervigen Eurobeat-Experimenten der übelsten Sorte. Chris scheint nämlich in den Neunziger ein wahrhaft glühender Verehrer dieser zurecht nur noch sporadisch auftauchenden Musikform gewesen zu sein.

Fing das Ganze auf Shades noch recht harmlos mit dem sogar sehr witzigen Rap-Song Addicted to these Games oder der am damaligen Dancefloor-Killer James Brown is dead angelehnten Techno Party des Apidya-Soundtracks an, wurde es im Laufe der Jahre schlimmer und schlimmer. Bis er scheinbar glaubte, ebenfalls ganz groß im Musicbiz rauskommen zu müssen. Die Folge waren solche heute nur noch unter sehr viel Schmerzen hörbare Auswüchse wie das grottige Final Frontier, wie How do ya Feel (dem als Ausgleich wenigstens das bezaubernde Piano/Streicher-Stück On Stage folgt), das 70ies-inspirierte Love x2 und Machwerke wie das sogar Radio-Play erhaltene Easy Life, das Latino-angehauchte El Ritmo, bei dem nur noch Verona Feldbusch an den Vocals fehlte, oder das ebenso unerträgliche Yo! Rock the House. Damit möglichst viele soundversierte Anhänger seiner Musik seinem Beispiel folgen konnten, gab es auf Rainbows und den Folgewerken – die ich mir allesamt lieber nicht mehr zugelegt habe, denn auch gleich noch Soundsamples aus seiner Datenbank, damit sich jeder seine eigenen Dancefloor-Kracher daraus basteln konnte.

Aber ach, all das hat mich nicht davon abgehalten, diese CDs auch weiterhin zu hören. Denn immerhin gibt es ja die komfortable Möglichkeit, solchen Schund einfach wegzuskippen und sich den angenehmen Seiten des Hülsbeckschen Schaffens zu widmen. Und dass während so einer langen Karriere nicht immer alles qualitativ obenauf sein kann, ist genau so klar. Also wer weiß. Vielleicht wird Number Nine tatsächlich das erste Hülsbeck-Album seit 13 Jahre, dass ich mir wieder kaufe. So oder so kann ich nur jedem, der das bisher noch nicht getan hat, sich eingehender mit seinem Schaffen zu beschäftigen. Erste Anlaufstelle für Fans dürfte dabei seine eigene Website sein. Eine ganze Reihe an Hörbeispielen gibt es unter anderem hier, hier und hier. Also los! Es lohnt sich in jedem Fall!

7 Comment

  1. Hab mir mal die 4Players-Hörprobe reingezogen. Klingt ja nicht schlecht, ist aber zu wenig retro für meinen Geschmack (na wer hätte das gedacht?). Das wirft für mich die Frage auf, ob Musik von Hülsbeck, die nicht aus irgendeinem Spiel stammt, überhaupt mein Fall ist? Mag ich seine mir bekannten Stücke am Ende nur, weil ich die mit wunderbaren Spiele-Erfahrungen assoziiere? Man weiß es nicht. So oder so, seine übelst genialen Turrican-Kompositionen werde ich auch weiterhin als das Beste feiern, das das Genre Videospielmusik je hervorgebracht hat.

    Verdammt, ich will zum Spielemusik-Konzert nach Leipzig! Hab aber keine Zeit und eine Unterkunft hätte ich dort auch nicht gehabt! Es ist zum… argh. Gibt es denn wirklich keinerlei Mitschnitte von dem Konzert? Sind die Veranstalter nie auf die Idee gekommen, das Ganze als CD zu veröffentlichen? Hätte ich mit 100%iger Sicherheit gekauft. View all comments by blumentopferde

  2. Ich hab tatsächlich 2003 mal beim Veranstalter nachgefragt, ob ich einen Mitschnitt des Konzerts bekommen könnte. Damals hab ich grad ein Praktikum beim Radio gemacht. Auf Anfrage hieß es, dass 5 Stücke mitgeschnitten werden dürften, die sie mir gerne zur Verfügung stellen – sprich als CD schicken – würden. Bloß angekommen ist bei mir leider nie was. Schade. Ich würds mir ansonsten auch sofort kaufen.

    Was dieses Retrohafte an Hülsbecks neuen Songs betrifft, ist es genau das, was mich so sehr daran stört. Die Hörprobe klingt eben genau so, wie die Sachen von früher, ohne an deren Klasse heranzukommen. Ich glaube nicht, dass man nun unbedingt ein Spielerlebnis mit seinen Songs verknüpfen können muss, um die Musik zu mögen. Im Gegenteil: zu ‘Romance’ oder ‘On Stage’ etwa hat ja nie ein Spiel existiert. Trotzdem gehören sie zu dem Großartigsten, was er je gemacht hat. Das Schlimme an besagten neuem Stück ist einfach, dass man den direkten Vergleich zu früher hat und das Stück einfach deutlich dagegen abfällt. Ja schlimmer fast noch: er sich relativ schamlos von seinen alten Songs hat inspirieren lassen. Beim Auftakt der Hörprobe mußte ich erstmal unweigerlich an das Turrican-Medley denken.

    Update: Ich hab im Artikel noch einen Link zum großartigen Romance eingebaut. Der Titel gehört definitiv zu meinen 5 Lieblingssongs of all Time. View all comments by Christian

  3. War jemand beim Eröffnungskonzert gestern? (Also, ich weiß, dass jemand da war. Aber war jemand da, der hier mitliest? ;-))

    Das war wirklich phantastisch! Habe ein paar Eindrücke in meinem Blog geschildert. Hülsbeck ist ja heute und morgen 14.30 Uhr am 4Players Stand zum Autogramme schreiben, falls es jemanden interessiert. Er signiert das Booklet, die CD gibts in der Innenstadt zu kaufen. Oder bei 4Players ja auch schon. View all comments by Tony

  4. Hallo zusammen,

    ich habe auch sehr lange überlegt, ob ich mir die CD kaufen werde. Immerhin waren die anderen CDs von seinen Spielen geprägt – und jetzt etwas, das ganz ohne diesen Bezug auskommen sollte?

    Letztendlich hab ich es doch getan, die CD in der Pause beim Eröffnungskonzert (genial: C64/Amiga-Medley und Turrican 2) geholt und dann gleich unterschreiben lassen. Auf der Rückfahrt im Auto hat man dann schon gemerkt, dass es eher “Chill-out-Mucke” ist. Den Gedanken vom Preview, dass sich das sehr nach Turrican anhört, hatte ich übrigens auch. Meiner Meinung nach kommt nicht die Klasse der alten Spielmusik bei dieser CD durch. Mir fehlt der Bezug, und das ist schade. Einzig der Turrican-3-Track, der letztes Jahr auf der GC live uraufgeführt wurde, ist mein Highlight.

    Chris hat angekündigt, wohl schon im nächsten Jahr eine neue CD zu veröffentlichen. Ich hoffe, dass es diesmal etwas ist, das wieder an die geniale Zeit von Turrican, Apidya und Giana Sisters erinnert. Ansonsten wird er wohl wirklich der “Soundmagier der 80er” bleiben – und das wäre mehr als schade. View all comments by Daniel

  5. @Tony: So ein Eröffnungskonzert steht definitiv noch ganz oben auf meiner Wunschliste. Irgendwann fahr ich auch mal hin. Frag mich bloß, warum die CD nur in der Innenstadt verkauft wird, und nicht gleich beim Autogrammstand.

    @Daniel: Wäre auch schön, wenn er mal wieder mehr zum orchestralen schwenken würde. Muss ja nicht gleich ein ganzes Symphonie-Orchester sein. Kann ja auch aus dem Rechner mittlerweile sehr gut klingen.
    Aber schonmal schön eine Meinung von jemandem zu lesen der die komplette CD schon gehört hat. View all comments by Christian

  6. @Christian: Die CD wurde auch in der Innenstadt verkauft – es gab alle CDs von Chris gegenüber vom Autogrammstand. Und es war richtig voll 😉 Zum Orchestralen: das wird schwierig bei der Konkurrenz. Wenn Du Dir Final Fantasy gegen die anderen Songs auf dem GC-Konzert anhörst – das ist schon ein hammerkrasser Unterschied. Ich persönlich warte ja noch auf ein Katakis-Remix (und das habe ich ihm auch gesagt). Mal sehen, was noch so kommt… View all comments by Daniel

  7. Die FF-Songs sind aber nunmal auch von einem klassisch versierten Komponisten von vornherein für ein Orchester geschrieben worden, behaupte ich mal. Klar, das da klassische Videospielkompositionen im direkten Verkleich beim Eröffnungskonzert gegen verlieren. Da müßte schon erstmal einer kommen und die einzelnen Titel wirklich für ein Orchester umschreiben und ausbauen.
    Nimmt man aber etwa mal Merregnon als Beispiel, siehts schon wieder ganz anders aus. Hier wurde auch von vornherein fürs große Orchester geschrieben – und dementsprechend klingts dann auch ganz anders. View all comments by Christian

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