Das mußte ja wieder so kommen!

Da läuft ein junger Mensch in Emsdetten Amok. Und liefert über seine eigene Website (die mittlerweile leider vom Netz genommen wurde) mehr als genug Gründe für seine Tat. Angefangen bei nachvollziehbaren Problemen wegen Mobbings und Gruppenzwangs – die zwar mitnichten einen Amoklauf rechtfertigen! – bis hin zu offenbar einer schwer angeschlagenen Psyche. Läßt sich alles ganz einfach seinem Abschiedsbrief entnehmen, der mittlerweile vielfache Verbreitung im Netz gefunden hat.

Aber nein, was kommt einschlägigen Pressemitteilungs-Verfassern und Politikern als erstes in den Sinn, wenn sie ‘Amoklauf’ und ‘Schüler’ in einem Satz hören?
RICHTIG: DIE COMPUTERSPIELE SIND SCHULD AN ALLEM!!!!

– Wirklich? –

Verbiete doch endlich mal einer diese unglaublich gewalttätigen Killersimulationen! So geht das doch nicht mehr weiter!

– Ach nein? –

Hallo???? Mal irgendwer darüber nachgedacht, wie der Junge an seine Waffen gekommen ist? Dass er jahrelang aktives Mitglied einer Gruppe war, die Turniere mit Soft-Air-Waffen veranstaltet hat? Dass er massive Probleme mit sich und seiner Umwelt hatte, die ihn aufs Schwerste belastet haben? Dass er sich schon vor zwei Jahren verzweifelt an ein Selbsthilfe-Forum gewandt hat und dort von seinen Gedanken an einen Amoklauf berichtet hat?

Natürlich, liebe Presse, klar: Ihr braucht Aufmacher! Schlagzeilen! Wer will denn auch schon einen gut recherchierten Artikel lesen, wenn er stattdessen reißerische Meinungsmache haben kann?

Und auch den Herren Politikern ist natürlich kein Mittel zu fies, um sich im Rampenlicht zu profilieren und schnellstmöglich die üblichen Standardfloskeln von Killerspielen etc. von sich zu geben. Aber denkt dabei überhaupt mal irgend jemand an die Opfer? Oder daran, was Bastian B. zu seiner Tat veranlasst hat? Hinterfragt vielleicht mal jemand, in welchen sozialen Verhältnissen wir eigentlich leben, wenn solche Taten trotz vorheriger Ankündigung und offensichtlich immer stärkerer und wachsender Verzweiflung des Täters trotzdem noch zustande kommen können? Nein. Stattdessen unterhält man uns lieber mit den Videos, die er zuletzt noch ins Internet gestellt hat. Mit Aussagen von Mitschülern, die seine Verschrobenheit noch unterstreichen und sein zurückziehen von seinen Mitschülern noch anprangern. Dabei sind die Gründe für letzteres sogar sehr plausibel und einfach nachvollziehbar.

Damit will ich in keinster Weise seine Handeln rechtfertigen, im Gegenteil: derartige Taten sind verabscheuenswert und verdienen keinerlei Anerkennung. Umso geschmackloser ist es deshalb auch, dass es bereits ein erstes Forum gibt, dass der Tat noch eine Plattform gibt. Bleibt nur zu hoffen, dass die Menschen, die dort posten, den Betreibern mal ordentlich Zunder geben.

Aber, liebe Presse (und vor allem: liebe Nachrichtenagenturen): Was Ihr hier momentan wieder als seriösen Journalismus verkauft, hat damit leider nichtmal annähernd zu tun. Jedenfalls nicht mit seriösem Journalismus, so wie ich ihn gelernt habe.