Kinder müssen ballern, ballern, ballern

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Erstaunliche Entwicklung in der so genannten ‘Killerspiel-Debatte’: Nun meldet sich ausgerechnet ein evangelischer Pfarrer mit der These zu Wort, Kinder bräuchten spielerische Gewalt sowie das Ausleben ihrer Aggressionen. Mit seinem Buch “Schluss mit dem Gewalt-Tabu! Warum Kinder ballern und sich prügeln müssen” stellt sich Thomas Hartmann klar gegen ein generelles Verbot von Gewaltspielen. Damit fordert der Theologe eine sachliche gesellschaftliche Diskussion zum Thema Gewalterziehung ein und will zeigen, wie (vermutlich nicht nur Kinder) ihre Aggressionen durch Sport und Spiel kanalisieren könnten. Dabei zieht er jedoch ebenso eindeutig eine Grenze zwischen “verbotener, zerstörerischer Aggression und zulässiger, spielerischer Gewalt“. Das heißt jedoch eindeutig nicht, dass Kindern der Zugang zu erwachsenen Titeln und Inhalten erleichtert werden sollte, noch, dass Kinder überhaupt solche Titel spielen können sollten. Vielmehr sei das größere Problem, Kinder mit ihrem Gewaltkonsum allein zu lassen, statt ihnen klare Grenzen aufzuzeigen und sich mit ihnen gemeinsam mit der Thematik zu beschäftigen. Deshalb sieht Hartmann vor allem die Eltern sehr viel stäker in der Pflicht. Diese sollten sich nicht gutgläubig darauf verlassen, dass ihre Kinder sich nur mit für sie geeigneten Medieninhalten beschäftigen, sondern ihren Zöglingen stärker über die Schulter schauen, sich gemeinsam mit ihnen der Spiele annehmen und über das Erlebte diskutieren.

Dabei gilt es Grenzen abzustecken, welche Inhalte im Haus erwünscht und welche nicht geduldet werden. Der Ansatz ist klar: nur Eltern, die sich selbst aktiv mit ihren Kindern und den fraglichen Spielen auseinandersetzen, entwickeln genug Medienkompetenz, um angemessene Urteile fällen zu können. Auch die Frage, in welchem Maß und Umfang tagtäglich gespielt werden darf, gilt es zu diskutieren. Dabei gilt natürlich, wie bei allen Freizeitaktivitäten, dass weder andere Hobbies, noch schulische Aktivitäten und soziale Kontakte unter dem Spielen leider sollten. “Junge Leute, die in ihrer Freizeit weitgehend nur vorm Fernseher oder Computer sitzen – auch wenn sie nur ‘gewaltlose’ Varianten wie ‘Sims 2’ oder ‘Spongebob’ spielen -, schaden sich selbst durch Bewegungslosigkeit körperlich wie geistig“, so Hartmann.

Interessanterweise wirft der Pfarrer im Verlauf seines Buches die Frage auf, ob wohl ein Buch wie die Bibel heutzutage überhaupt noch als jugendfrei gelten dürfe: “Betrachtet man dazu speziell den bereits beschriebenen Gewaltcharakter in vielen biblischen Erzählungen, stehen die Darstellungen von Aggression und Gewalt manchen Computerspielen in nichts nach. Man muss sogar fragen, ob ein solches Buch heute eigentlich als jugendfrei gelten dürfte.” Da die Frage, welche Themen und Inhalte für Kinder und Jugendliche geeignet sind, und welche nicht, in Zukunft scheinbar nicht einfacher zu werden scheint, plädiert Hartmann deshalb für eine konstruktive Gewalterziehung: “Erwachsene – Eltern, Erzieher wie Politiker, aber auch Medienschaffende – sollten sich bewusst mit aggressiven und gewalthaltigen Aktivitäten und Lebensäußerungen der Kinder und Jugendlichen auseinander setzen. Das beinhaltet, etwa größere Toleranz und ein verantwortungsvolles Gewährenlassen gegenüber raufenden Kindern zu zeigen, größeres Verständnis auch für verbale ‘Ausbrüche’ von Jugendlichen aufzubringen und weniger Dünkel in Bezug auf jugendspezifische Medienvorlieben wie LAN-Partys mit Counter-Strike & Co. zu hegen.” (Quelle: Golem.de)

8 Comment

  1. Ich halte Kontrollen und Auszeichnungen von der USK für sinnvoll und dient als ein guter Leitfaden. Es gibt mehrere Titel die wirklich ab 18 sind. Ein generelles Verbot halte ich für einen falschen Ansatzpunkt. View all comments by Xcion

  2. Wir leben nun mal nicht in einem Paradies. Wie der Pfarrer schon richtig gesagt hat, man braucht eine Umgebung, wo man seine Aggressionen ausleben kann. Jeder kann von einem Spiel und Realität unterscheiden. Ausnahmefälle gibt es überall, weil wir Menschen und keine Maschinen sind. View all comments by Xcion

  3. Das wichtigste ist halt, und das hab ich schon damals in meiner Abschlussarbeit geschrieben, dass Eltern sich um das kümmern, was ihre Kinder machen und vor allem: mit ihnen über das reden, was die Kinder da virtuell erlebt haben. Manche dieser Erlebnisse brauchen nunmal Führung, elterliche Fürsorge und Ratschläge, um richtig verarbeitet und im richtigen Kontext eingeordnet werden zu können. Wenn aber schon die Eltern sich entweder nicht damit beschäftigen oder überhaupt keine Ahnung haben, wovon sie da reden, dann läuft medienpädagogisch einiges falsch, Kinder sind mit der Verarbeitung von Gewalterlebnissen auf sich allein gestellt und genau dann kann es eben auch zu Störungen in der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes kommen. Und hinterher heißt es damm wieder nur lapidar, der Bengel hätte Cpunterstrike gespielt, knüpft diese Zockerkids doch einfach alle auf. 😉 View all comments by Christian

  4. […] viele verschiedenen Meinungen umfaßt: Nun meldet sich nämlich ausgerechnet ein evangelischer Pfarrer mit der These zu Wort, Kinder bräuchten spielerische Gewalt sowie das Auslebe…. Mit seinem Buch “Schluss mit dem Gewalt-Tabu! Warum Kinder ballern und sich prügeln müssen” […] View all comments by Arkion.DE » Blog Archiv » Dr. Rainer Fromm antwortet

  5. Hallo, zunächst einmal Lob für Dein Blog. Bin vor kurzem darauf gestossen. Ja, die fehlende Kontrolle der Eltern über den Medienkonsum ist wirklich erschreckend. Man muss sich nur mal eine Stunde in der Videospielabteilung eines Elektronikmarktes aufhalten: Wenn der 12-Jährige Jan lange genug heult, kauft ihm Mama halt Doom 3. Das Problem in der ganzen Debatte ist natürlich wesentlich komplexer, die Medien jedoch verkürzen das ganze jedoch immer wieder auf eine derart schäbige Art, dass am Ende die Schlussfolgerung steht: Ballerspiele spielen = reale Amokläufe verüben. Die Frage bleibt, wie man die Diskussion auf eine sachliche Ebene zurückholt. View all comments by Stephen

  6. Die Frage bleibt, wie man die Diskussion auf eine sachliche Ebene zurückholt.

    Das ist genau der Punkt, dem wir bei Gameparents.de versuchen nachzugehen. Indem wir versuchen zu zeigen, was Eltern tun können bzw. müssen, um auch weiterhin ihrer Verantwortung in der (Medien-)Erziehung nachkommen zu können. Ein Ansatz, der ebenso von vielen anderen Einrichtungen bundesweit verfolgt wird, die sich – der FH Köln sei dank – zu Beginn des Jahres zum Netzwerk Spielraum zusammengeschlossen haben – auch, um künftig wesentlich koordinierter und einheitlicher an eben genau den kritischen Punkten ansetzen und daran arbeiten zu können. Dazu gehört dann auch wieder ein hoffentlich wachsendes Interesse der breiten Öffentlichkeit an solchen Themen, das leider momentan nicht wirklich gegeben ist. Wir sehen es auch ein wenig an der nach wie vor sehr mageren Resonanz auf Gameparents.de. Wobei man auch einfach sagen muss, dass uns nach wie vor eine Menge Autoren und Mitarbeiter fehlen, die bereit wären, in ihrer Freizeit an Schulen zu gehen, um Eltern und Erziehungsberechtigte umfassend über das Thema Gewalt in Computerspielen aufzuklären. Erst wenn das Interesse auf breiter Basis geweckt ist, kann man mit wirklich tiefer greifender, aufgeklärterer Berichterstattung rechnen.
    Bis dahin wird wird wohl leider weiterhin das Bild der gefährlichen ‘Killerspiele’ die Medienlandschaft bestimmen.

    P.S.: Vielen lieben Dank für das Lob! View all comments by Christian

  7. Ja, das stimmt, es gibt natürlich schon Ansätze zu einem sachlichen Dialog. Das Problem ist die Wahrnehmung des Ganzen in der Öffentlichkeit. Sicherlich leistet hierbei die FH Köln mit ihren Arbeiten einen guten Dienst, aber neulich wurden sie dafür ja von Frontal 21 niedergemacht, frei nach dem Motto: Die Studien sind ja eh nur Auftragsarbeiten der Industrie.
    Mir schwebt eine Art Interessenverband wie die US-amerikanische Electronic Consumers Association. Eine Art Lobby, die die Interessen der erwachsenen Gamer auf einem sachlichen Level vorträgt und versucht, Aufklärungsarbeit zu leisten. Ein erster Weg dahin ist auch Gameparents.de. Denn oft werden bei den Diskussionen zu dem Thema dann Vertreter der Industrie befragt, deren Aussagen manchmal auch mehr als unglücklich sind. Oder halt der ESB meldet sich zu Wort. Aber der “normale” Gamer wird nicht befragt und das ist ein großes Defizit. Denn es gibt viele, die eben nicht in der E-Sports-Szene sind, aber trotzdem eine Meinung zu dem Thema haben. Aber gut, diese Diskussion könnte man ewig weiterführen. View all comments by Stephen

  8. Ja, Frontal 21 hat es leider vorzüglich verstanden, das Ansehen ausgerechnet des renommiertesten und bemühtesten Instituts im wissenschaftlichen Diskurs und in der öffentlichen Diskussion zu demontieren. So langsam glaube ich, dass da echte Methode dahintersteckt, um Pfeiffer und Konsorten eine Plattform und Aufmerksamkeit zu verschaffen. Schade, dafür wirft man den Öffentlich-Rechtlichen dann auch noch Geld in den Hals.
    Aber es stimmt schon, eine Diskussion auf der Ebene könnte ewig weitergeführt werden. Derzeit findet sie ja leider nur unter immer und immer wieder den gleichen Personengruppen statt und dreht sich immer und immer wieder um die gleichen Kritikpunkte. Erst, wenn man wirklich die ‘richtige’ Öffentlichkeit (nicht nur die politische, wissenschaftliche bzw. die Öffentlichkeit, die uns von den Medien präsentiert wird) mit ins Boot gezogen hat, wird eine wirklich angeregte und konstruktive Diskussion möglich. View all comments by Christian

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