Ohne jetzt ein allzu großes Fass aufmachen zu wollen, aber wenn ich so etwas lese, dann wundert es mich doch ein wenig, dass mir nicht jedesmal bei der Erwähnung des Wortes “Jugendschutz” übelriechende Bröckchen aus dem Mundwinkel kriechen. Einmal mehr treten wir den Beweis an, dass deutscher Jugendschutz und Globalisierung einfach nicht für einander gemacht sind. Die Welt wächst zusammen, vernetzt sich, crasht gemeinsam von einer Finanzkrise in die nächste und vertreibt sich die Zeit dazwischen mit dem gemeinsamen Spielen vor dem Fernseher. Völlig ohne Grenzen. Die ganze Welt? Nunja, fast. Denn wir dürfen mal wieder nicht mitmachen. Natürlich, beim überwiegenden Teil aktueller wie vergangener Titel hatten und haben auch wir keinerlei Probleme, in den internationalen Ring zu steigen. Aber hin und wieder erwischt es uns dann doch und wir werden entweder bereits bei Verkaufstart von vornherein ausgeschlossen (diese beiden Epic-Shooter da zum Beispiel), oder dank einiger Bearbeitungen des Spielecodes durch die Entwickler, um hierzulande vielleicht doch noch ein bestimmtes Rating zu bekommen. Während ersteres für erwachsene Spieler zwar ärgerlich ist, durch international versendende Händler wie Amazon UK (na gut, schlechtes Beispiel) oder play.com jedoch kein großes Problem darstellt, ist letzteres für so manchen einfach nur noch zum Haareraufen.
Nun macht mir das persönlich nicht unbedingt was aus, dass ich nicht gegen picklige, nöhlig-quietschende, 13jährige Englänger mit schlechten Manieren spielen darf. Mir ist es sowieso lieber, wenn ich gegen Leute aus meiner Freundesliste spielen kann und der Rest der Welt draußen bleibt. Wenn aber mittlerweile selbst schon simple Skateboard-Spiele aufgrund von Zensurmaßnahmen online nicht mehr kompatibel mit der internationalen Version sind, wird es doch mehr als lächerlich.
Das mit den verfassungsfeindlichen Symbolen muss mir sowieso mal jemand erklären. Warum ist es okay, wenn die versammelte Belegschaft von Switch Reloaded mit Hakenkreuz-Armbinden vor dem Reichsadler herumstolziert und sowohl die Blues Brothers als auch Indiana Jones sich hierzulande im Film ungeschoren mit den Nazis anlegen dürfen (die natürlich auch alle mit verfassungsfeindlichen Symbolen behängt sind wie amerikanische Tannenbäume mit Lametta), während sich Indiana Jones in seiner digitalen Version mit Nazis herumprügeln muss, denen offenbar bei der Flaggen- und Armbinden-Bestellung ein dickes Malheur mit den Druckvorlagen passiert ist. Versteht mich nicht falsch, ich bin absolut der Meinung, dass braunes Gedankengut vollständig ausgerottet gehört, aber mich interessiert einfach die Frage, weshalb hier so erschreckend eindeutig mit zweierlei Maß gemessen wird. Als Begründung wird die stärkere Immersion bei Videospielen vorgeschoben, aber im Regelfall sind es ja nicht die Spieler, die sich in der Rolle der Nazis finden, sondern die Gegner. Und was ist schlimm daran, so eine Nazisau virtuell abzuknallen, während es alles andere als schlimm ist, wenn bei Switch Reloaded der größte Schlächter aller Zeiten plötzlich zum sympathischen Trottel von nebenan verkommt, dem man einfach nicht böse sein kann? Hallo?!?!?! Dann doch bitte Filme auch gleich noch einkürzen bis zur totalen Verstümmelung. Und wo wir grad dabei sind: warum ist das FSK-Siegel eigentlich noch so winzig?
Doch ich schweife vom Thema ab. Mich kotzt es mittlerweile einfach nur noch an, wie sehr das deutsche Jugendschutz-System auch mündige, erwachsene Bürger in seinen Freiheiten einzuschränken versucht. Dabei geht es mir nicht einmal um die Frage, ob ich nun unbedingt einen Titel spielen muss, bei dem Blut und Gedärme nur so spritzen. Nein, da hat Marcus schon ganz recht: so etwas braucht es für eine dichte Atmosphäre nicht wirklich, wenn die Spielmechanik an sich stimmt. Aus dem gleichen Grund brauchen digitale Nazis auch nicht zwingend Hakenkreuzbinden an ihren Armen, wenn ich sie zu Mus zerschrote.
Wenn man aber selbst als erwachsener Schnäppchenjäger durch den Erwerb der internationalen Version versucht ein bisschen was zu sparen, weil etwasdas britische Pfund gerade so günstig steht, und einem dadurch teilweise ebenfalls die Möglichkeit verwehrt bleibt, mit seinen deutschen Freunden innerhalb Deutschlands zu spielen, die eben leider bloß die deutsche Version gekauft haben, die geschnittten ist und deshalb nicht mit anderen Versionen funktioniert, wird es hochgradig albern.
Genauso albern, wie der Umstand, dass man als nachweislich erwachsener Käufer eines zwar indizierten, aber rechtmäßig erworbenen Epic-Titels die im Kaufpreis enthaltenen Bonus-Maps der Special Edition nicht herunterladen darf, weil der deutsche Jugendschutz das verhindert und man durch das Anlegen eines IP-Tunnels und die Erstellung eines ausländischen LIVE-Accounts direkt Gefahr läuft, mit seiner teuer bezahlten Xbox 360 samt zugehörigen Bezahlaccounts für immer aus dem Netzwerk verbannt zu werden. Und genauso albern wie der Umstand, dass man eben nun nicht an der Umfrage zum besten Xbox Live Arcade Titel des vergangenen Jahres teilnehmen darf, weil einer der Nominierten hierzulande auf dem Index steht und weil die Erwähnung im Kontext ausdrücklich guter Spiele hierzulande juristisch auf äußerst wackligen Beinen dahergestelzt kommt.
Ein klein wenig bin ich dann doch froh, dass ich im letzten Monat (zwar nur aus zeitlichen Gründen) sämtliche Ämter bei den GameParents niedergelegt habe und diesem unausgegorenen System nicht noch weiter in die Hand spiele. So traurig es auch sein mag…
Tja , ich habe es auch dran gegeben. Und die eimerweise Galle, die mit immer bei diesem Thema hoch kommt. Schutte ich den nächsten Fluss.
Hat keinen Sinn. View all comments by Actionman
Ich las neulich in einem Gamestar-Artikel (uh-oh, Gaaaaaaamestaaaaar) über Zensur, dass es in vielen anderen Ländern keinen Deut besser aussieht als in Deutschland. Daher stör ich mich ein wenig an der Formulierung “außer wir”. Klar, in diesem speziellen Fall sind nicht soviele Länder betroffen (Deutschland, Japan, Korea), aber so allgemein fahren wir wohl noch relativ gemäßigt in Deutschland. (Link für gs.de Premium-Menschen: http://www.gamestar.de/_misc/downloads/issues/detail.cfm?pk=43063&fk=142120&pid=38)
Die Aussage “Nein, da hat Marcus schon ganz recht: so etwas braucht es für eine dichte Atmosphäre nicht wirklich, wenn die Spielmechanik an sich stimmt.” würde ich, sofern du das Thema nicht miteinbeziehen willst, gar nicht erst bringen ;). Es gibt mit Sicherheit Menschen, die diese Menge an Gedärmen eben doch für die dichte Atmosphäre brauchen. Das ist Geschmackssache.
Das mit den Hakenkreuzen habe ich mich auch schon oft gefragt. Mein letzter Stand war, dass man selbst im Film das nicht unbegründet inflationär verwenden darf, sondern nur im Kontext “Die bösen Nazis” und ausreichende Darstellung der Schlechtheit. Allerdings kann das nicht stimmen, wenn man sich Switch Reloaded (ich LIEBE die Obersalzberg-Verarsche, btw. Dinge wie das Freizeithemd mit den Hakenkreuzen würden ohne Hakenkreuze gar nicht gehen ;)) und Filme wie “The Spirit” anschaut (Samuel L Jackson in Naziuniform, anyone :D?).
Gibts dazu wirklich keine verbindlichen “Regeln”? View all comments by laZee
Nein, wir sind nicht allein, das stimmt. Wenn man sich mal Australien anschaut, dann haben die es auch nicht leichter. Aber die haben wenigstens noch schönes Wetter, Känguruhs und Koalas. Ausgleichende Gerechtigkeit 😉
Den einen von Dir angesprochenen Absatz würde ich in keinem Fall weglassen, das gehört für mich durchaus mit zur ganzen Jugendschutzdiskussion. Wenn die Spielerschaft, die immerzu nach Blut und Morden schreit, mal endlich erkennt, dass solcherlei nicht unbedingt förderlich ist, will man in der öffentlichen Diskussion ernst genommen werden, würden wir vielleicht irgendwann auch mal ein wenig ernster genommen. (OK, mag sein, dass ich mich hier zu sehr in utopischer Schwelgerei ergehe. (Im Übrigen trägt mein gesamter Artikel hier auch nicht gerade konstruktiv zur Diskussion bei, aber hin und wieder muss man sich auch einfach mal Luft verschaffen dürfen, vor allem wenn man eigentlich schon alles mal ausprobiert hat, um das Thema Jugendschutz von einer nüchternen Seite aus betrachtet den Menschen näherzubringen, bei denen es dringend mal nötig wäre.))
Sollte es verbindliche Regeln oder gar Gesetze zu diesem Thema geben, dann sehe ich zumindest keinen einheitlichen roten Faden. View all comments by Christian
Die verbindliche Regel ist schlicht und ergreifend, dass diese Symbole nicht auf oder in Spielzeug vorkommen dürfen. Das ist schon der ganze Witz. Hat nix mit “Immersion” zu tun, ist einfach nur schon immer so gewesen… View all comments by m.a.
Es tut einfach nur noch weh sich darüber aufzuregen…
@m.a.
Spiele werden also immer noch wie Spielzeuge behandelt? Wo steht das? View all comments by Maggi
@m.a. Aha, das ist mal interessant. Man lernt nie aus, danke! Auf Videospiele angewandt wirkt es trotzdem irgendwie merkwürdig. View all comments by Christian
Ich teile deinen Ärger. Seit ich Besitzer einer Xbox bin, fühle ich mich extrem bevormundet. Vor ein paar Tagen habe ich meine in England gekauften Exemplare von FarCry 2 und Timeshift zu Gamestop getragen, um sie zu verkaufen. Offiziell dürfen die aber keine Spiele ohne USK-Siegel annehmen, darum ging der Verkäufer mit mir vor die Ladentür und erwarb sie dann “für seine private Sammlung” … ja, bin ich jetzt unter die Dealer gegangen, oder was!?
Was ich mich immer wieder frage: wo ist der Jugendschutz bei Büchern? Ich habe mal eine 8. Klasse im Deutschunterricht gefragt, ob ihre Eltern kontrollierten, was gelesen wird. Natürlich gab es da überhaupt keine Einschränkungen. Eine Schülerin erzählte mir, dass sie von ihrer Mutter “Hannibal” bekommen habe. Die Schülerin wollte den Film sehen (8. Klasse!), aber die Mutter fand, sie solle erst einmal das Buch lesen (8. Klasse!). View all comments by Marchantia
Marchantia: Das ist wahr, Bücher sind ja teilweise unglaublich viel krasser :D. Es gibt ja durchaus auch Indiziierung bei Büchern. Ich nehme aber an, die Tatsache, dass der Mensch ein “Augentier” ist, fließt hier mit ein :). Die Bücher muss man sich erst selbst visualisieren, bei grafischen Medien ist das anders. Aber ich rate nur.
Interessante Frage. Weiß jemand mehr dazu? View all comments by laZee
Ich habe vor ein paar Jahren, noch während meines Studiums, mal eine sehr lange Diskussion mit einigen Komilitonen und Komilitoninnen zu dem Unterschied zwischen Jugendschutz bei Büchern und bei Spielen geführt und das Ergebnis war, dass sich alle außer mir einig darin waren, dass all die Brutalität und die schlimmen Beschreibungen in Büchern doch etwas gaaaaanz anderes sei als in Spielen. Meinen Hinweis, dass die Bilder im Kopf, die durch Bücher zu entstehen imstande sind, doch noch viel intensiver sein könnten, als ein schnöder optischer Reiz, wurden einfach hinfortgewischt.
Daraus schließe ich: Über den Jugendschutz bei Büchern macht sich, von einigen Ausnahmen mal abgesehen, kaum noch jemand Gedanken. Klar, Volksverhetzung und Themen, die in den Strafrechtsparagraphen 131 fallen, stehen auch weiterhin zurecht auf der Abschussliste, aber ansonsten handelt es sich bei Büchern eben um ein seit Jahrhunderten akzeptiertes Medium, das aufgrund seiner Themen vielleicht mal den einen oder anderen Skandal auslöst, ansonsten aber als völlig normal und geeignet für jede Altersgruppe angenommen wird.
In was für einer Welt leben wir eigentlich? View all comments by Christian
Kurz zu den FSK-Siegeln: Noch sind sie klein. Erste Feldversuche gibt es allerdings schon. 😉
http://tinyurl.com/dh73vr
Zu dem guten alten Thema Jugendschutz habe ich nichts mehr zu sagen. Die Geschichte um “skate 2” ist der Höhepunkt der Lächerlichkeit, allerdings auch nur, weil dadurch die deutsche Version online nicht mit internationalen Spielern gezockt werden kann. View all comments by Alanar
Durch eine kurze Google-Suche habe ich herausbekommen, dass es tatsächlich eine Liste verbotener Bücher gibt, die aber noch nicht einmal im Internet veröffentlich werden darf …
Als Lehrer habe ich auch schon Kurse in der JVA gegeben. Die Schwerverbrecher dort habe ich übrigens nie von Gewaltdarstellungen in Spielen schwärmen hören, wohl aber von dem Roman (nicht dem Film!) “American Psycho”.
Naja, die Wahl zum besten Arcade-Spiel ist für mich nun eh vorbei. Der RRoD hat zugeschlagen … View all comments by Marchantia
@Marchantia: Die Liste indizierter Titel ist auch nur gegen Altersnachweis möglich und wird allenfalls im Internet auftauchen, wenn irgendwer in der BPjM aus Versehen die Daten in der Tauschbörse seiner Wahl freigibt. Du darfst aber in den Bundesanzeiger der BPjM schauen, wo zumindest der Großteil der indizierten Medien erfasst ist – sofern Du alt genug bist. Einige Listenteile bleiben aufgrund der Schwere der Jugendschutzverstöße allerdings komplett unter Verschluss. Bei Büchern dürften die regulären Listen allerdings sehr kurz sein. Bei den verbotenen Büchern dürfte sich hauptsächlich braunes Gedankengut wiederfinden, würde ich behaupten.
Wohlgemerkt reden wir bei den Listen der BPjM aber nicht um verbotene Titel, sondern “lediglich” um indizierte. View all comments by Christian
Mir hat ein Freund aus der Spieleindustrie damals erzählt, das man keine Nationalsozialistischen Symbole ausserhalb von Dokumentationen und Kunstwerken darstellen darf.
Da Spiele keine anerkannte Kunst sind wie beispielsweise Filme, die erstmal grundsätzlich als Kunst gelten, solange sie nicht in Glorifizierung versinken, sind sie verboten. Das selbe galt auch lange Zeit für Comics aber mittlerweile sind Comics auch eine zwar wenig anerkannte, dennoch geduldete Kunst anzusehen.
Übrigends da fällt mir die deutsche Release der Hellsing-OVA ein:
Folge 1: Blut, bestialisch grausame Ermordungen, andeutung an eine Vergewaltigung -> Freigabe ab 16
Folge 2: Blut, noch bestialisch grausame Ermordungen, Erniedrigung von Menschen -> Freigabe ab 16
Folge 3: Blut, bestialisch grausame Ermordungen, Hackenkreuze, verrückte Nazis -> Freigabe ab 18 View all comments by Kreon
Der von Lazee angesprochene Gamestar-Artikel ist übrigens in der Tat lesens- und empfehlenswert. Macht die moralinsaure Handhabung hierzulande nicht besser, rückt aber mal die Perspektive zurecht. View all comments by grobi
Zu Büchern ist vielleicht noch zu sagen, dass der intellektuelle Zugang wesentlich schwierger ist, als zu Spielen. Man muss zum einen lesen können, zum anderen gibt es nur ganz wenige Bücher, die von der ersten Seite an vor Blut triefen.
Das ist auch das Hauptwahrnehmungsproblem bei Spielen: Eine einzige, evtl. gar detailliert beschriebene Mordszene wird einfach im Gesamtzusammenhang nicht so wild bewertet wie ein andauerndes Metzeln ohne größeren Sinn als die Punktejagd. Bei Büchern kann man auch Teile überspringen, bei Filmen kann man wegsehen, aber bei Spielen muss man die Handlungen ausführen, sonst kommt man ja nicht weiter.
American Psycho ist übrigens ein ganz schlechtes Beispiel für gewalthaltige Bücher. In dem Roman geht es zwar oberflächlich hart zur Sache, tatsächlich handelt es sich aber gerade um ein ANTI-Gewaltverherrlichungsbuch. Es ist vor allem eine Reaktion auf die damalige Faszination an Massenmördern; letztlich eine Bloßstellung im Sinne von »schaut Euch einfach mal an, worüber Ihr Trottel da so fasziniert labert«.
Der Roman wird von den meisten Leuten ähnlich behandelt, wie unser Lieblingsmedium — Teile aus dem Zusammenhang reißen, nur aufs Blut und die Ratte gucken, nicht weiter nachdenken. Gerade Gamer sollten sich daran nicht beteiligen. View all comments by m.fehn
@kreon: was sind denn eigentlich hackenkreuze? View all comments by Fetzig