Zen – einen Zustand absoluter meditativer Versenkung erreichen. Vollkommene Befreiung des Geistes von äußeren Einflüssen. Reinigung. Innere Einkehr. Vollkommener Seelenfrieden. Zu sich selbst finden und die Arschlöcher da draußen alle einfach mal Arschlöcher sein lassen. Wie könnte man diesen Zustand einfacher erreichen als durch das Einschnüren von hölzernen Tierfigürchen mit einer Rolle Paketschnur? Eben. Und genau deshalb gibt es Zen Bound. Während andere noch gelangweilt in ihrem kleinen Kies-Gärtchen herumhaken und die Antwort auf die Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest suchen, erfreut sich die Seele des Zen-Bound-Spielers an den einfachen Verstrickungen eines eigentlich simplen Spielprinzips. Man nehme: eine Schnitzerei aus Holz, in filigran ausgearbeiteter, aber nicht zu detaillierter Form eines Tieres nach Wahl. Zum Beispiel ein Kolibri. Oder ein Blauwal. Egal. Dann nehme man zwei Nägel, ramme sie an zwei verschiedenen Stellen in die zierliche Holzform und binde an einen davon eine 50 Meter lange Schnur. Und schon kanns losgehen. Wem das bis hierhin übrigens schon zu brutal ist, den kann ich beruhigen: das Schnitzen und Verstümmeln mit Nägeln haben die Entwickler von Secret Exit schon für uns übernommen.
Wir alten Bondage-Hasen können uns also voll und ganz aufs Drauflosschnüren konzentrieren. Mit diesem Spielprinzip dürfte man sogar Freitagsabends in – sagen wir mal – Stuttgart öffentlich auftreten *hust*.
Da haben wir also nun dieses Holztier und diese Schnur. Diese stramm gespannte Schnur. Oh, ist die stramm. Irgenwie macht mich das an, wie sie so unter dem Zug knarzt und ächzt. So schön stramm… Huh. Aber das soll jetzt hier nicht das Thema sein. Was also ist das Spielziel bei Zen Bound? Entspannung! Ruhe und Frieden finden – und sei es nur für ein paar Minuten. Natürlich kann man das Game auch mit einem gewissen sportlichen Ehrgeiz angehen und rein auf Leistung spielen, aber ich fürchte damit versaut Ihr Euch Euer verdammtes Karma, Ihr Nerds!
Im Grunde genommen ist es viel angenehmer, einfach ein wenig an dem Tierchen zu drehen, das iPhone zu drehen und zu neigen, dadurch die Schnur zu führen und einfach zuzuschauen, wie die Holzform langsam aber sicher an den Stellen, an denen Sie mit dem Seil in Berührung kommt, beruhigend sanfte und wunderschön schimmernde Farbtöne annimmt, die Auge und Herzen erfreuen. Wem das auf Dauer dann doch nicht reicht: ja, außer Entspannung zu finden gibt es tatsächlich ein wenig was zu tun.
Der Genießer schlingt nicht, er… äääh… na gut, er schlingt…
Durch die Berührung mit dem Seil also verfärbt sich das Holz jeweils innerhalb eines kleinen Radius rund um die Vertäuung. Durch geschicktes Einschnüren der Form sollte es Euch also gelingen, die gesamte Figur möglichst restlos einzufärben. Dazu stehen Euch anfangs 50 Meter, später, mit immer größer werdenden Formen, sogar 100 Meter Tau zur Verfügung. Wer will, kann dieses Limit voll ausreizen und munter drauflosstricken, echte Strategen gehen jedoch ein wenig planvoller an die Sache und bemühen sich, zum vollständigen Einfärben so wenig Kordel wie unbedingt nötig zu verwenden. Ein Zeitlimit gibt es nicht, lediglich die letztlich genutzte Schnurlänge wird aufgezeichnet und dient als Anreiz, sich immer und immer wieder auf ein Objekt zu stürzen und es aufs Neue zu verzurren. Beendet wird eine Runde, indem man das Ende des Seils mit dem zweiten Nagel verknüpft, wobei 70% Verfärbung als Minimum gelten, um eine Figur abschließen zu dürfen.
Klingt einfach, mit zunehmdem Level werden aber nicht nur die Objekte selbst immer größer, sondern Ihre Formen auch immer komplexer. Dadurch wird es zunehmend herausfordernder, den Strick anständig um die Form gewickelt zu bekommen, dabei alles einzufärben und gleichzeitig möglichst wenig Material zu verbrauchen. Wer sich hier zu sehr verbeist, wird beim Versuch, in jedem Level die vollen 100% zu erreichen und jeden noch so kleinen Fitzel Holz einzufärben, vermutlich schnell das Gegenteil von Entspannung emfinden. Alle anderen begnügen sich hingegen einfach mit der Beschäftigung als solcher und geben sich mit dem Erreichen des Minimums zufrieden. Sieht dann halt nur nicht so schön aus.
Besonders Ehrgeizige oder Unterforderte versuchen sich statt am “Baum der Reflexion” am “Baum der Aufgaben” und werden mit etwas größeren Herausforderungen konfrontiert. Die hübsch anzusehenden Tierfigürchen werden hier durch geometrische Formen ersetzt, die zunächst relativ simpel aussehen, allerdings schon deutlich mehr Überlegung erfordern, will man sie vollständig einfärben.
So oder so gibt es jede Menge zu tun, sofern man sich auf die zunächst ausgesprochen obskur wirkende Spielmechanik einlässt. Die Grafik ist durch Ihre Schlichtheit und die ausgesprochen harmonische Farbgebung sicherlich das Schönste, was es bisher auf dem iPhone zu sehen gab und die enorm zurückgenommene Soundkulisse wirkt durch hren Minimalismus noch intensiver und emotionalisierender als so manche Bombast-Orchester-Suit. ICO winkt im Vorbeigehen fröhlich zum Gruß. Mit angeschlossenen Kopfhörern wird das Erlebnis gleich nochmal so intensiv. Da vergisst man sogar in der Bahn schonmal gerne alles andere um sich herum und mag kaum noch aussteigen.
Einfach mal abschalten kann so schön …errrrmmm… fesselnd sein.
Klingt wie ne schöne Idee, die problemlos auch auf anderen Geräten (PC, Konsolen) laufen könnte. Wirds das auch für nicht-iPhone-Menschen geben, hast du ne Ahnung :)? View all comments by laZee
Mit hat drüben bei Polyneux ein Vögelchen gezwitschert, dass es schon eine etwas ältere PC-Version davon gibt:
http://www.fun-motion.com/physics-games/zen-bondage/
Auf dem iPhone wirkt es aber schon allein otisch schöner. View all comments by Christian
Ja, bei dem Titel bin ich auch am überlegen. Aktuell sitz ich aber noch an Fieldrunners. Das ist einach unglaublich toll. Ich liebe Tower Defense, vor allem wenn es so toll gemacht ist 🙂 View all comments by Haschbeutel