Zu behaupten, ich wäre immer schon ziemlich musikversessen gewesen, fühlt sich irgendwie falsch an, wenn man bedenkt, welche musikalischen Jugendsünden so alles auf mein Konto gehen. Doch Musik war zumindest immer ein großer Bestandteil meines Lebens. Und sei es nur als Hintergrundbeschallung.
Tatsächlich ist es so, dass mir die viel zitierte “gute alte Zeit” fehlt, in der man noch Schallplatten gekauft hat (oder meinetwegen auch CDs, auch wenn ich CDs als Medium immer doof fand), sich damit vor die heimische Stereoanlage gesetzt und nichts weiter gemacht hat, als eben konzentriert dieser Platte zu lauschen – und dabei vielleicht noch die Lyrics zu lesen, so denn welche beigelegt waren.
Nun wäre es absolut vermessen zu behaupten, ich hätte durch all meinen Musikkonsum wirklich Ahnung von Musik – mein Geschmack war immer schon zu divers, meine Aufmerksamkeitsspanne zu gering, um mich wirklich in ein Genre einzufuchsen und zum Experten zu avancieren – und während ungefähr jeder Gitarrist auf dieser Welt davon schwärmt (oder zumindest behauptet), wie er als Kind von Jimmy Hendrix, Eddie Van Halen, Steve Vai, B.B. King, Eric Clapton oder wem auch immer mit dem Wunsch beseelt wurde, unbedingt dieses eine Instrument bis zur Perfektion beherrschen zu wollen, blieb mir diese Initialzündung für immer verwehrt – was sich heute ein wenig rächt, wenn ich mich mal mehr, mal weniger motiviert mit meiner Gitarre abmühe.
Ein Mann allerdings hat es sehr früh geschafft, meine volle Aufmerksamkeit auf sein musikalisches Opus zu fokussieren und mich mit jedem einzelnen seiner Tunes so sehr vom Hocker zu reißen, dass ich nicht anders konnte, als meinen C64 und später Amiga mit Games zu füttern, nur um seinen Kompositionen lauschen zu können. Ja richtig: Games!
Besagter Mann war nämlich Chris Hülsbeck, der in den frühen 90ern einen zeitlosen musikalischen Klassiker nach dem anderen geschaffen hat und der mich mit seiner Musik so sehr in den Bann gezogen hat, wie sonst kaum ein anderer Musiker vor oder nach ihm. Und das mit 8bittigem Gequieke und Gequetsche, dass die Platinen nur so ächzten – und meine Eltern auch, die wohl recht schnell die Nase voll vom all dem befremdlich anmutenden Getöse hatten.
Ich wiederum konnte nicht anders, als jede CD, die Hülsbeck seinerzeit veröffentlichte, umgehend auf umständlichem Weg über den ASM-Mailorder zu bestellen. Ja, wieder richtig: ASM. Jenes Magazin, dem ich heute völlig zurecht den Kult-Stempel aufdrücken würde und das leider schon vor vielen Jahren in die ewigen Jagdgründe eingegangen ist. In diesem gab es immer ein paar Seiten mit bestellbarem Zeug, das mal mehr, mal weniger Videospielbezug hatte – und die praktisch die mir einzig bekannte Quelle waren, um irgendwie der Alben Chris Hülsbecks habhaft zu werden. Also wurde jedes Mal fleißig eine Bestellpostkarte ausgefüllt, ein Scheck von der Sparkasse geholt und als Verrechnungsscheck gekennzeichnet samt Karte in ein Kuvert gesteckt und zur nächsten Post getragen, nur um dann wochenlang in Ungewissheit zu warten, ob dieses Kuvert samt Bestellung denn auch wirklich eingegangen, die Lieferung sicher auf dem Weg in die heimischen vier Wände ist.
Und dann endlich der Tag, an dem ein luftgepolsterter Umschlag durch den Briefschlitz fiel und darauf wartete, von meinen zittrigen Händen aufgerissen zu werden, damit der Inhalt flugs zum nächsten CD-Player getragen werden konnte. Schrank auf, Verstärker an, Player an, Schublade auf, parallel die Folie der Verpackung geöffnet, den frischen Duft gepressten Kunststoffs und bedruckten Papiers eingesaugt, die CD fiebrig in den Player gelegt, Schublade zu und Play gedrückt. Vorher noch schön den Verstärker aufgezogen und BÄÄÄÄMMMS! Da waren sie, die magischen Klänge, aufgenommen und gemastert mit neuester Digitaltechnik, endlich ihrem engen 8- oder 16bit Korsett entsprungen und in allerbester Studioqualität zu neuen Qualitäten emporgeschraubt! Was für ein Sound! Was für eine Gänsehaut!!!
Und schon damals, im Jahre 1991, träumte ich davon, wie fantastisch es doch wäre, wenn diese fabelhaften, göttlichen Harmonien und eingängigen Hooks mal von einem echten Symphonieorchester in ein klassisches Gewand absoluter Herrlichkeit gekleidet würden. Wie absurd! Wie völlig undenkbar! Was für ein geradezu schwachsinniger Gedanke!
27 Jahre sollte es noch dauern, ehe das Unwahrscheinliche, Unglaubliche dann doch geschehen sollte und ich mich im Aufnahmesaal des WDR-Rundfunkorchesters in Köln wiederfinden sollte, um einem knapp 120-köpfigen Ensemble dabei zu lauschen, wie sie diese großartigen Melodien des Maestros in ein unvergleichlich großartiges Gänsehautgefühl verwandelten, das seinesgleichen suchen sollte. Und doch schien es irgendwie surreal, befremdlich, wie ein Traum, der nicht ganz real schien – ein Gefühl, das sich selbst heute noch nicht gelegt hat, wenn ich der Originalaufzeichnung eben jenes Konzertes lausche, dem ich damals leibhaftig beigewohnt habe.
Knapp vier Jahre später dann die Gelegenheit, Hülsbeck höchstselbst für mein geliebtes Polyneux interviewen zu können. Himmel, war ich nervös. Ich fürchte, das merkt man dem Gespräch auch an, jedenfalls klinge ich wie ein trunkener Fanboy, der keinen geraden Satz herausbekommt. Hörenswert ist es trotzdem geworden, denke ich.
Wie dem auch sei: eigentlich hatte ich nur darauf aufmerksam machen wollen, dass ich neulich beim Stöbern nach Musik für ein Projekt bei Spotify über den gesammelten Output Chris Hülsbecks gestolpert bin und wollte diesen erfreulichen Umstand mit Euch teilen. Anscheinend hat das bei mir irgendwas ausgelöst. Anscheinend können Videospiele doch noch irgendwas in mir auslösen – wenn sie denn nur mit guter Musik unterlegt sind 😉